Die Geschichte beginnt mit einer ebenso unglaublichen wie wahren Begebenheit. Die beteiligten Personen: ein Pelzdieb, Peter Z., beginnt im Knast zu schreiben. Eine erfolgreiche Cartoonistin, Doris L., verliebt sich in den Knacki. Ein Bordellbesitzer, Dieter E., verspricht, dem Knacki nach der Entlassung zu helfen. Richtet ihm tatsächlich eine Kellerkneipe ein.
Und im schönen Haus werden die Wohnungen renoviert für Autor*innen und anderes Künstlervolk. Dann stiftet der Bordellbesitzer gar einen Literaturpreis, und der Vierte im Bunde, Prof. Herbert H., Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, gibt dem ganzen Projekt noch seinen Segen und macht den Jury-Vorsitz.
Dies geschah im Jahre 1985, zu einer Zeit, als es für Literaten und Künstler noch keinen festen Ort in Frankfurt gab und noch niemand an ein Literaturhaus dachte. „Romanfabrik“, so sollte das Haus in der Uhlandstraße im augenzwinkernden Selbstverständnis der Bewohner*innen heißen, denn die Autor*innen wollten von dem Verkauf ihrer Produkte leben.
In der Kellerkneipe fanden regelmäßig Lesungen, Autorengespräche und sonstige literarische Veranstaltungen statt. Das Programm wurde zunächst von den „Romanfabriklern“ gestaltet, auch den Betrieb der Kneipe übernahmen Zingler, Lerche und die anderen Autor*innen aus dem Haus.
Am 9. Oktober 1985 war der Verein „Romanfabrik e. V.“ gegründet worden, bald jedoch schon geriet er in finanzielle Schieflage: Die Ausgaben überstiegen um vieles die Einnahmen. Auf Dauer konnte man sich nicht nur über private Kredite finanzieren und Fördermittel mußten beantragt werden. Bereits seit Januar 1986 unterstützen nun das Land Hessen und die Stadt Frankfurt die Romanfabrik finanziell. Ein großes Dankeschön dafür, ohne diese Förderung hätte die ROMANFABRIK längst ihr Wirken einstellen müssen.
Im Jahre 1998 zeichnete sich die sicherlich bedeutsamste Veränderung in der Geschichte der ROMANFABRIK ab. Der Mietvertrag für den Keller in der Uhlandstraße lief aus. Es ergab sich zu dieser Zeit ein Kontakt zu Ardi Goldman, Frankfurter Großinvestor. Er plante, das Gelände des ehemaligen Frankfurter Brauhauses auf der Hanauer Landstraße neu zu gestalten und hielt es für wünschenswert, dort auch einer Kultureinrichtung Platz zu bieten. Nach langem Nachdenken und zahlreichen Diskussionen entschloß sich der Verein Romanfabrik unter der Geschäftsführung von Michael Hohmann, das Wagnis einzugehen und den Umzug zu wagen. Aber das Projekt „Union“ war noch im Bau, das heißt, der geplante Einzugstermin Herbst 1998 verzögerte sich mindestens um ein Jahr.
Die alten Räume waren gekündigt, die neuen noch nicht fertig. Zwei Off-Spielstätten waren bald gefunden: Die musikalischen Abende wurden in der Aula der Frankfurter Akademie für Kommunikation und Design in der Ostparkstraße veranstaltet. Und die literarischen Veranstaltungen fanden im Nachtclub „West-Östlicher Diwan“ in der Oskar von Miller-Straße statt. Mit seiner Stripteasebühne und den plüschigen roten Sofas bot der Ort den Autor*innen und dem literarisch interessierten Publikum erotisches Flair.
Noch mitten im Rohbau der neuen Romanfabrik, Anfang September 1999, fand ein bemerkenswertes „Fundraising-Dinner“ statt: Alte und neue Freund*innen der Romanfabrik nahmen die Einladung an, mit einem Scheck zu einem Essen in den Rohbau zu kommen. Es erwartete sie ein 5-Gänge-Menü, das auf einer mit Rosen geschmückten und mit Kandelabern ausgeleuchteten 12 m langen Tafel serviert wurde. Unter den musikalischen Klängen von Sara Musinowski, Christoph von Weitzel und den Vortragskünsten des Schauspielers Wolfram Koch blieb dieser Abend im noch fensterlosen Betonbau unvergessen.
Am Samstag, den 9. Oktober 1999 war es dann soweit. Hunderte Gäste balancierten über Bohlen an von Regen gefüllten Baulöchern vorbei und stiegen die rote Granittreppe hinauf. Sie wurden von eleganten Damen und Herren in Rokkoko-Kostümen empfangen, die mal rezitierten, mal sangen, mal einen Begrüßungssekt anboten. Die „neue“ ROMANFABRIK wurde vor brechend vollem Haus mit einer Rede von Herbert Heckmann eröffnet. Es gab, neben kurzen Reden Gesang und Spiel und Tanz.
Mittlerweile hat sich die ROMANFABRIK im Frankfurter Kulturleben längst etabliert. Doch immer noch treibt sie die Bereitschaft an, sich auch neuen Projekten zu widmen und neue Partnerschaften einzugehen.
Ende 2022 starb völlig unerwartet der langjährige Geschäftsführer der ROMANFABRIK Michael Hohmann. Nach einer Interimsleitung durch Vorstandsmitglied Ruthard Stäblein verantwortet nun Gregor Praml seit November 2023 die Geschäftsführung und Programmleitung der ROMANFABRIK. Und wieder einmal hat sich die ROMANFABRIK gewandelt. So gibt es ein neues Logo, neues Mobiliar und nach einer umfassenden Renovierung auch neue Farbe an den Wänden. Ebenso ist auch die inhaltliche Ausrichtung nicht starr geblieben. So gibt es neue Reihen, neue Verknüpfungen von Text und Musik und auch neue Musik in der ROMANFABRIK zu erleben.
Die ROMANFABRIK hat in ihren fast vierzig Jahren einige hunderttausend Besucher und mehrere Tausend Künstler- und Autor*innen zu Gast gehabt. Bei allen Krisen hat die ROMANFABRIK in der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen zuverlässige Partner. Aber nichts ist gegeben, wie die Wechsel der vergangenen Jahre belegen. Das Netzwerk zwischen öffentlicher Hand, Publikum, Künstler*innen und Presse muß stetig neu geknüpft werden. Als Ort der Begegnung und als Ort ständig neuer ästhetischer Erfahrung und damit Bereicherung bis hin zu neuen Erkenntnissen sollte die ROMANFABRIK noch mindestens weitere vierzig Jahre dienen.